Die maximale Bremsbeschleunigung des Autos ist 6 m/sec2. Das Auto kann maximal mit der Haftreibungskraft bremsen oder beschleunigen. Das Antiblockiersystem sorgt dafür, dass der Übergang zum Gleiten ( „Rutschen“) vermieden wird. Dann bewegt sich der aufliegende Reifenabschnitt relativ zur Straße nicht, und zwischen Straße und Reifen wirkt die Haftreibungskraft. Diese ist gleich m•g•μH, wobei mit g die Erdbeschleunigung ( 10m/sec2) und mit μH die Haftreibungszahl bezeichnet werden. Letztere wird also in den allgemein verfügbaren Angaben zur maximalen Bremsbeschleunigung mit einem Wert von etwa 0,6 angesetzt. Das ist plausibel.

Im Gelände beträgt die Haftreibungszahl zwischen den Stollenreifen eines Traktors und dem Untergrund etwa 0,8. Auf Asphalt wird man einen geringeren Wert vermuten. Es ist sinnvoll, den gleichen Wert einzusetzen, der auch für Autoreifen verwendet wird, zumal die Reibungskräfte nicht von der Größe der Auflagefläche abhängen.

a) Die Anfangsgeschwindigkeit des Autos ist gleich ( 72:3,6)m/sec = 20 m/sec. In der Schrecksekunde rollt es 20 m weit. Der nachfolgende Bremsweg errechnet sich zu

(20m/sec)2/(2•6m/sec2) = 400/12 m = 100/3 m , das sind ungefähr 33 m. Da nur noch 30 m bis zum Traktor als Bremsweg zur Verfügung stehen, kann eine Kollision nicht vermieden werden. Mit einer Geschwindigkeit von 70km/h und einer geringfügig verringerten Schrecksekunde hätte es gut gehen können....

b) Das Weg-Zeit-Gesetz der geradlinigen Bewegung mit konstanter Beschleunigung hat die Form: s(t) = ½ •a•t2 + v0•t + s0 , wobei a die Beschleunigung, v0 die Anfangsgeschwindigkeit und s0 die Strecke zum Zeitpunkt 0 bedeuten.

Es wird die Einmündung des Feldweges als Nullpunkt der Strecke gewählt, und die Uhr läuft vom Einsetzen des Bremsens des Autos an.

Die Weg-Zeit-Gesetze haben dann die folgende Form:

Auto : s(t) = - 3m/sec2 • t2 + 20m/sec • t - 30 m

Traktor : s(t) = 3 m/sec2 • t2 + 6m/sec • t + 3 m

(der Traktor ist während der Schrecksekunde des Autofahrers 3 m weit gefahren ( ½ • 6•12 m) und hat die Geschwindigkeit 6m/sec erreicht).

Man bildet die Differenz Δs = straktor - sAuto = 6m/sec2•t2 –14m/sec • t + 33

Weiterrechnen ohne die Einheiten: Δs = 6(t2 – 7/3 • t) + 33 = 6(t2 – 7/3 • t + 49/36) – 49/6 +33

Also : Δs = 6•(t – 7/6)2 + 149/6

Der Mindestabstand zwischen Auto und Traktor beträgt 149/6 m, das sind knapp 25m; er wird 7/6 Sekunde nach Einsetzen des Bremsvorganges beim Auto erreicht.

Fährt das Auto anfänglich mit 30m/sec, so ändert sich am Weg-Zeit-Gesetz des Traktors nichts, das des Autos ändert sich zu : s(t) = - 3t2 + 30•t – 20; der Term Δs ändert sich infolgedessen zu Δs = 6t2 – 24t + 23 = 6(t – 2)2 – 24 + 23 = 6(t-2)2 - 1

In diesem Fall käme es zu einem Zusammenstoß zu einer Zeit, für die gilt: (t-2)2 = 1/6 und damit als physikalisch sinnvolle Lösung t = 2 – (1/6)0,5 ≈ 1,6 sec. Der Traktor wäre bis dahin 3m+6•1,6m+3•1,62m = 3m + 9,6m+7,68m = 20,28m weit gekommen.

Was heißt in diesem Zusammenhang „physikalisch sinnvolle Lösung“? Was ist mit der anderen Lösung? Wieso ist die eine Lösung hier brauchbar, die andere nicht?

Stellen wir uns die beiden Fahrzeuge als Bildpunkte vor, die auf einem Bildschirm von rechts nach links vorbeiziehen. Der Traktorpunkt beschleunigt, der Autopunkt bremst, ist aber zunächst noch schneller als der erstere und nähert sich diesem immer mehr. Etwa 1,6 sec nachdem der Autopunkt mit dem Bremsen begonnen hatte, holt er den „flüchtenden“ Traktorpunkt ein. Der Traktorpunkt hat dann eine Geschwindigkeit von 6m/sec2•2,6sec = 15,6m/sec, der Autopunkt ist noch etwas schneller: 30m/sec – 6m/sec2•1,6sec = 20,4m/sec.

Der Autopunkt überholt den Traktorpunkt; zwei Sekunden nach Einsetzen des Bremsens des Autopunktes haben beide die gleiche Geschwindigkeit:

6m/sec2•3ec = 30m/sec – 6m/sec2•2sec = 18m/sec. Von nun an holt der Traktorpunkt auf ; er überholt den Autopunkt zur Zeit (2 + (1/6)1/2 sec ≈ 2,4 sec : Das ist die Bedeutung der zweiten Lösung. Natürlich ist im Fall des realen Traktors und des realen Autos die Geschichte nach dem ersten Zusammentreffen beendet...